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  • AutorenbildAnna Maria

Veränderungen

11. - 14. März --- 139. - 142. Reisetag


Es wurde ein kurzer Ritt an jenem Tag. Ich folgte nach wie vor der Strasse, da ich nicht auf dem Kiesstrand reiten wollte, wegen den Sehnen der Pferde. Ich durchquerte das kleine Dorf Cirella und erreichte kurz darauf mein Tagesziel, ein verlassener Reithof am Meer der einem Bekannten von Armando gehört. Seit mehreren Jahren hatte dieser die Reitschule geschlossen und den ehemaligen Sandplatz in einen Campingplatz verwandelt. Auf der anderen Seite der Strasse, wo die Pferdeboxen noch standen, gab es einen kleineren eingezäunten Platz der mittlerweile komplett mit Gras überwachsen war. Nachdem der Besitzer kurz vorbeigekommen war, mir alles gezeigt und mir den Rumänen, der in einem Wohnwagen hinter den Boxen wohnte und im Sommer mit ihm arbeitete, vorgestellt hatte, brachte ich die Pferde auf den kleinen eingezäunten Platz damit sie sich an dem zarten grünen Gras sattessen konnten, bevor ich sie die Nacht über in die Box stellen würde.

Ich untersuchte diesen Nachmittag eingehend Spartas Pfoten. Mir war aufgefallen dass sie ganz leicht gehinkt hatte auf dem Asphalt. Schnell schloss ich Sehnenentzündungen oder ähnliche Verletzungen aus, und bemerkte dass, zum ersten Mal auf der ganzen langen Reise, ihre Pfoten fast abgelaufen waren und sie sehr ensibel reagierte. Ich erledigte einige Telefonate mit Freunden von mir und beschloss am nächsten Tag im nächsten Dorf nach Hundeschuhe oder Socken Ausschau zu halten.

Mir wäre nie in den Sinn gekommen dass an diesem Punkt der Reise die Pfotenabnutzung ein Problem werden würde, doch ich hatte die Rechnung ohne die vielen Teerstrassen gemacht auf denen ich in letzter Zeit unterwegs war. Da ich Sparta auf den verlassenen Nebenstrassen nach wie vor frei liess, rannte diese natürlich ungehindert vor und zurück und lief sich somit auf dem rauen Grund die Pfoten wund.


Am nächsten Tag lief ich die wenigen Kilometer bis nach Diamante und kaufte dort nebst den Hundesocken auch das traditionelle Eis für welches das Küstendorf bekannt ist: die “Palle di Eros”, also “Eros Hoden”. Ich werde niemals den belustigten Blick der Angestellten der Bar vergessen als ich nach “Eros Hoden” fragte. Was ich bekam war zwar geschmacklich nicht enttäuschend aber auch nichts überaus Aussergewöhnliches: ein flüssig-festes Schokoladen-Herz, ummantelt von Paprika-Eis. Von Eros hätte ich mir ehrlich gesagt mehr erwartet…


Nachmittags unternahm ich mit den Pferden eine kleine Erkundungstour auf den Hügel oberhalb von Cirella. Ich hatte nämlich von Meer aus, sowie auch auf Google Maps, Ruinen entdeckt. Alte Ruinen. Eine ganze Menge Ruinen. Und von Ruinen kann ich mich einfach nicht fern halten! Ich zog der wenig begeisterten Sparta die neuen Socken an, sattelte Bamiro, stieg auf und nahm Rhiannons Führstrick in die Hand. Kaum hatte ich zwei Meter hinter mir, sah ich dass Sparta sich schon einer Socke entledigt hatte… Ich stieg ab, liess die Pferde grasen, fand die Socke und zog sie ihr wieder an. Der zweite Startversuch verlief zum Glück glimpflich und wir stiegen den Hang hinauf.

Auf was ich da oben stiess war fantastisch: das ehemalige Dorf Cirella, bevor die Bewohner den neuen Teil direkt unten am Meer bauten und alle komplett umsiedelten. Alte Gemäuer, ganz viele zusammengestürzte Häuser, eine Kirche und ganz zuoberst ein Schloss… Leider wurde meine Euphorie durch den erneuten Verlust einer Hundesocke getrübt, die sich die gute Sparta von der Pfote gezupft hatte… Entnervt stieg ich wieder ab und suchte das vermaledeite Ding, zog ihr auch die andere ab und stieg wieder auf. Ich beschloss sie anzubinden wenn ich in ein paar Tagen wieder losreiten würde, ansonsten würde ich wahrscheinlich über 100 Socken, und meine Nerven noch dazu verlieren bis ich auf der Insel ankommen würde.

Ich liess Rhiannon frei, der uns den Hügel hinauf bis zum Schloss folgte. Dieses wie gemalte Bild, wie er mich ansah, mit seiner, nach all den Kilometern gestählten, muskulösen Statur, seiner blonden Mähne, sich frei zwischen diesen Ruinen im grünen Gras bewegte, im Hintergrund das Meer, werde ich nie vergessen. Leider hielt dieser traumhafte Moment bloss einige Sekunden lang an, nämlich bis ihn die Erkenntnis einholte dass er frei war und sofort anfing Gras in sich hineinzuschaufeln.


Die Tage dort am Meer vergingen wie im Flug, und ich entdeckte an einer nie da gewesenen Situation wie viel Kraft und Mut ich auf der bisherigen Reise gewonnen hatte: Der Rumäne der im Wohnwagen wohnte hatte zwei Hunde. Mit Sparta vertrugen sie sich gut, solange sie nicht in die Nähe des Wohnwagens wollte. Eines Nachmittags fütterte der Mann eben seine Hund als ich mit Sparta vorbeikam. Natürlich roch die schlaue Füchsin sofort dass es was zu essen gab und wollte sich den anderen nähern. Ich reagierte zu langsam und da hatte der Mann sie schon geschlagen und getreten, damit sie nicht den anderen nähern konnte. Ich drehte komplett durch. Ich ging auf den Mann los, schrie in an, wie er es wagen könne sich an meinem Hund zu vergreifen, ob er denn blind sei und das Halsband nicht sehe an dem er sie einfach hätte halten können bis ich sie gerufen hätte, ob er denn keinen Respekt habe. Ich war völlig ausser mir, liess ihn nicht zu Wort kommen, schimpfte ihn einen Idioten und schlimmeres, rief die winselnde Sparta zu mir und schritt von dannen. Niemals in meinem ganzen Leben hatte ich so jemanden angeschrien, ausgerechnet noch in so einer Situation, wo ich alleine war auf dem Gelände mit diesem Fremden, der weiss ich wie hätte reagieren können. Doch ich war zu allem bereit in diesem Moment, denn es ging um meine Gefährtin mit der ich bis hier durch Dick un Dünn gegangen war. Von da an ignorierte ich ihn vollkommen. Für mich war er Luft geworden, und ich sah ihn weder an, noch redete ich mit ihm oder grüsste ihn.


Zwei Tage später reiste ich wie geplant ab, nicht ohne am Abend zuvor noch eine junge Frau am Strand zu treffen, die mich über Instagram kontaktiert hatte und mir ein Geschenk bringen wollte. Und so trug Rhiannon am nächsten Tag ein Honig- und ein Marmeladenglas als Zusatzlast in unserem Gepäck mit.


















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